Nichtzulassungsbeschwerde

Das Finanzgericht muss nicht nur über die Klage entscheiden, sondern im Urteil auch darüber, ob es die Revision zulässt. Hat das FG sie nicht ausdrücklich zugelassen, kann gegen die Nichtzulassung Beschwerde eingelegt werden (§ 116 FGO).

Die Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) ist ein schriftliches Verfahren ohne mündliche Verhandlung. Verfahrenstechnisch ist sie das schwierigste und damit auch das Rechtsmittel mit den geringsten Erfolgsaussichten. Der Prozentsatz der zugunsten der Steuerpflichtigen entschiedenen NZB ist wenig ermutigend, in den letzten Jahren aber etwas gestiegen. Das Verhältnis der erfolglosen zu den erfolgreichen NZB betrug in 2018 12,3 %, in 2019 15 % und in 2020 immerhin 17,3 %. Die BFH-Jahresberichte 2018-2020 enthalten folgende Zahlen:

2018 2019 2020
unzulässige NZB: 454 410 396
unbegründete NZB: 443 478 404
zurückgenommene NZB: 175 190 176
erfolglose NZB insgesamt: 1.072 1.078 976
erfolgreiche NZB: 132 162 169
(jeweils einschließlich NZB der FinVerw)

Wie erklären sich die schlechten Zahlen? Einige NZB werden schon deshalb als unzulässig verworfen, weil sie vom Steuerpflichtigen persönlich ohne Beachtung des beim BFH geltenden Vertretungszwangs eingelegt worden sind. Die von den Angehörigen der steuerberatenden Berufe eingelegten NZB scheitern zu einem Großteil an zu geringen Rechtskenntnissen über dieses Rechtsmittel. Anders ist es nicht erklärbar, dass ein gutes Drittel der NZB bereits an der Zulässigkeit scheitern und ca. 15 % zurückgenommen werden. Auch ein Gutteil der unbegründeten NZB dürfte an fehlerhafter Begründung scheitern.

Gründe für den häufigen Misserfolg sind vor allem,

  • dass die Zahl der Zulassungsgründe auf die vier in § 115 Abs. 2 FGO genannten begrenzt ist; das Urteil muss (1) eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung über den Einzelfall hinaus aufwerfen oder (2) eine Rechtsfortbildung erforderlich machen oder (3) von einer höchstrichterlichen Entscheidung abweichen oder (4) auf einem Verfahrensmangel beruhen.
  • dass die höchstrichterliche Rechtsprechung an die Darstellung eines Zulassungsgrundes hohe formelle und methodische Anforderungen stellt; das erfordert Können und Erfahrung. Es muss substantiiert das Vorliegen eines solchen Grundes dargestellt werden, z.B. die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ausformuliert werden. Stattdessen wird fälschlicherweise sehr häufig die finanzgerichtliche Entscheidung als unrichtig kritisiert oder der Klagevortrag wiederholt.

Ein versierter BFH-Anwalt wird das finanzgerichtliche Urteil sehr kritisch überprüfen und dem Mandanten nur bei ausreichenden Erfolgsaussichten zur Einlegung einer NZB raten, also in vielen Fällen abraten. Denn die meisten finanzgerichtlichen Urteile werfen keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf und rechtfertigen auch kein Beschwerdeverfahren wegen Fortbildung des Rechts, Divergenz oder Verfahrensmängel. Je oberflächlicher und je schlechter ein finanzgerichtliches Verfahren begründet ist, umso schwieriger sind übrigens Zulassungsgründe zu finden und zu begründen. Zu berücksichtigen ist auch, dass der BFH bei seiner Entscheidung über die Zulassung gleichzeitig die Erfolgsaussichten einer sich anschließenden Revision im Auge hat; hält er die Revision für unbegründet, wird er sie gar nicht erst zulassen.

Das alles ändert aber nichts daran, dass es auch erfolgreiche NZB gibt und gute sachliche Gründe dafür sprechen können, in das Beschwerdeverfahren zu gehen. Dem sollte aber eine gründliche Prüfung der Erfolgsaussichten vorausgehen, möglichst durch einen Berater, der verfahrensrechtlich erfahren ist.

Ist die NZB begründet, kann der BFH entweder die Revision zulassen (meist ohne Begründung; vgl. § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO) oder aber im Falle eines Verfahrensmangels gleich das FG-Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO). Siehe auch Stichwörter „Zurückverweisung“ und „Zweiter Rechtsgang“.